Die zahlreichen Möglichkeiten und Potentiale, die eGovernment heute bietet, werden bei weitem nicht ausgeschöpft. Die von Bund und Ländern initiierten Projekte sind vielfach technikgetrieben und gehen an der Lebenswirklichkeit und den Bedürfnissen sowohl von Bürgerinnen und Bürger als auch von Unternehmen vorbei. Hinzu kommt: Der öffentliche IT-Sektor ist durch einen Markt und Wettbewerb mit öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern gekennzeichnet, ohne dass ein Handlungsrahmen existiert, der die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates regelt.

Diese Spannungs- und Themenfelder einerseits und eine vom DATABUND in Auftrag gegebene Studie zum Problem der Einflussnahme des Staates auf den IT-Markt bildeten den Ausgangspunkt für das DATABUND Forum 2016, das im September nordrhein-westfälischen Hemer stattfand.

Sieben Thesen zum kommunalen E-Government

“Unsere Branche”, so leitete der Ehrenvorsitzende des DATABUND, Ulrich Schlobinski, das Forum, “stagniert seit langem”. Damit brachte er die gegenwärtige Situation auf den Punkt und verwies gleichzeitig auf die in letzter Zeit immer laut werdende Kritik am bundesdeutschen eGovernment.

Mögliche Wege, wie man sich aus dieser Lage “befreien” könnte, lieferte der Vorstandsvorsitzende des DATABUND, Detlef Sander mit sieben Thesen zum öffentlichen IT-Sektor.

  1. E-Government braucht eine Vision für die digitalisierte Kommunalverwaltung der Zukunft
  2. E-Government muss sich an der Lebenswirklichkeit der Nutzer orientieren
  3. Das Verwaltungs- und Kommunalrecht muss modernisiert werden
  4. E-Government braucht ein Konzept für die digitale Identität des Bürgers
  5. Der öffentliche IT-Sektor braucht fairen Wettbewerb in einem offenen Markt
  6. Öffentliche IT darf sich nicht durch proprietäre Lösungen von der allgemeinen technologischen Weiterentwicklung abkoppeln
  7. E-Government und öffentlicher IT-Sektor brauchen ein zeitgemäßes und einheitliches Datenschutzverständnis

Im Spannungsfeld von Staat und Wirtschaft

Zu CeBIT 2016 hatte der DATABUND eine Studie vorgestellt, in der sich Prof. Dr. Dirk Heckmann von der Universität Passau und Dr. Wilfried Bernhardt vom Nationalen E-Government Kompetenzzentrum mit der Einflussnahme des Staates und öffentlich-rechtlicher IT-Dienstleister auf den IT-Markt beschäftigt haben. Im Ergebnis forderten sie die Zurückhaltung des Staates gegenüber der privaten IT-Branche. Weitere interessante Impulse lieferte Bernhardt in seinem Vortrag über die Entwicklung der IT-Steuerung in Deutschland. Um die Unternehmen einzubeziehen, empfahl er unter anderem ihre frühzeitige Beteiligung statt der Schaffung neuer Gremien.

Zwischen Markt und Daseinsvorsorge

Die Sichtweise der Politik brachte Dr. Gregor Gysi (Die Linke) den Teilnehmern in seinem Vortrag „Staatliches Handeln im Spannungsfeld von Markt und Daseinsvorsorge“ näher. Er arbeitete unter anderem heraus, dass die öffentliche Daseinsvorsorge eine inhaltliche Dynamik habe, die auch gesamtgesellschaftlichen Einschätzungen dessen, was als unverzichtbar gilt, unterliege. Braucht jede Stadt einen Flughafen? Eher nicht. Beim öffentlichen Personennahverkehr aber fällt die Antwort bei den meisten wieder ganz anders aus. Für Gysi fallen unter die öffentliche Daseinsvorsorge Güter, ohne die ein Zusammenleben in den Kommunen nicht funktionieren kann, etwa Krankenhäuser, Schulen oder Straßen.

Sirko Scheffler von der brain-SCC GmbH befasste sich mit zentralen Produkten und Lösungen in der kommunalen IT. Seine Resümee: Die vom Bund und von den Ländern entwickelten Lösungen funktionieren auf kommunaler Ebene nicht.

Die freie Wirtschaft hat Vertrauen verspielt

Dass es durchaus sinnvoll ist, dass für die öffentliche Verwaltung in manchen Bereichen andere Spielregeln gelten als in der freien Wirtschaft, machte Dr. Wolfgang Sander-Beuermann deutlich. Das geschäftsführende Mitglied des Vereins SUMA-EV, der die Meta-Suchmaschine MetaGer betreibt, sprach über die “Auswirkungen und Gefahren von Monopolstrukturen in der digitalen Wirtschaft” – und hatte dabei natürlich vor allem Google vor Augen. Der Suchmaschinengigant kontrolliere in weiten Teilen “das Geldverdienen” im Internet – ein Machtfaktor, der stärker als jeder Staat sein kann. Die größten Chancen, dem Herr zu werden, sieht er in der Förderung einer Start-up-Kultur.

Wettbewerbsrechtliche Grenzen der staatlichen Betätigung im IT-Markt seien durchaus angebracht, so bestätigte einmal mehr Prof. Dr. Rupprecht Podszun. “Wir haben in den letzten Jahren eine Renaissance des staatlichen Zugriffs auf die Wirtschaft erlebt”, sagte er und begründete diesen Befund mit dem Vertrauensverlust in die Wirtschaft aufgrund der Finanzkrise.

Freiheit und Regulierung – wo sind die Grenzen?

Wenn aber der Staat nach außen am Markt auftritt, dürfe er seine hoheitlichen Aufgaben nicht mit seinen wirtschaftlichen Interessen verknüpfen, so Podszun weiter. Er wies aber zugleich auf ein riesiges Potenzial hin, dass sowohl öffentliche Verwaltung als auch die Privatwirtschaft einen großen Schritt voranbringen könnte: Open Data.

Schließlich stellte Markus Fuhrmann unter dem Titel “Ordnungsrahmen für die digitale Wirtschaft” den Dialogprozess zum „Grünbuch digitale Plattformen“ vor.