Studie fordert digitale Gewaltenteilung und Zurückhaltung des Staates gegenüber privater IT-Branche

| Pressemitteilung DATABUND :: PM_2016_04_04 |

“Deutschland tritt in Sachen Akzeptanz und Nutzung von E-Government Angeboten auf der Stelle.” So kommentierte die scheidende IT-Beauftragte der Bundesregierung, Cornelia Rogall-Grothe, am Ende ihrer Amtszeit die Ergebnisse des E-Government MONITOR 2015. Ähnlich äußerte sich Johannes Ludewig, Vorsitzender des Deutschen Normenkontrollrates, bei der Vorstellung des von Fraunhofer FOKUS erstellten Gutachtens über das deutschen eGovernment auf dem Nationalen IT-Gipfel am 18.11.2015: “Wirksames eGovernment gibt es in Deutschland de facto nicht.”

Nach all den Erfolgsmeldungen des letzten Jahrzehnts zum Einheitlichen Ansprechpartner (EAP), zu De-Mail oder zum Bürger- bzw. neuerdings digitalen Servicekonto bleibt eine Ursachenforschung für diese durchaus verheerende Analyse aber noch immer aus. “Augen zu und durch” – will man meinen. Nicht so beim DATABUND, dem Verband der mittelständischen IT-Dienstleister und Softwarehersteller für den öffentlichen Sektor: In dessen Auftrag haben sich Prof. Dr. Dirk Heckmann (Universität Passau) und Dr. Wilfried Bernhardt (Staatssekretär a.D.) aus einer rechtswissenschaftlichen und politischen Perspektive mit dem Problem der Einflussnahme des Staates und der öffentlich-rechtlichen IT-Dienstleister auf den IT-Markt beschäftigt; denn – so die Autoren – “die Abgrenzung staatlicher Einflussmaßnahme auf den IT-Markt hat eine hohe rechtliche Relevanz, ist unterdessen aber bislang kaum geklärt.”

Die Bedeutung des staatlichen Einflusses wird grundsätzlich und nicht allein aus einer verfassungsrechtlichen Perspektive kritisch betrachtet, denn der Staat oder öffentlich-rechtliche IT-Dienstleister als Marktteilnehmer nutzen ihre Vorteile (z. B. Umsatzsteuerbefreiung) gegenüber den privaten Akteuren gnadenlos, “in besonderer, den Wettbewerb beeinträchtigender Art und Weise aus”, indem sie z. B. Marktpreise unterbieten, um private Akteure von Aufträgen fernzuhalten. Und der Ton wird schärfer. Jedes Mittel scheint recht zu sein. Das ist, wie die Autoren feststellen, “unlauterer Wettbewerb”. Vor diesem Hintergrund fordern die Autoren eine transparente Darlegung der Gründe für die erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates auf dem IT-Markt.

Ebenso wird konstatiert, dass staatliche Organisationen und öffentliche-rechtliche Dienstleister “oft gar nicht in der Lage sind, die für das Bestehen am Markt erforderliche Agilität bei der Entwicklung von IT-System zu zeigen”. Als Beispiele dafür führt die Studie De-Mail und den neuen Personalausweis mit seiner Online-Ausweisfunktion an, die zwar als Alternativen zum Schriftformerfordernis bzw. zur Unterschrift etwa im E-Government-Gesetz des Bundes verankert sind, eine flächendeckende Infrastruktur dafür unterdessen aber noch immer fehlt.

Als Fazit der wissenschaftlichen Bestandsaufnahme entwickeln die Autoren die Leitidee einer digitalen Gewaltenteilung und das Leitbild des kooperativen, vertrauenswürdigen und nachhaltigen IT-Staates. Danach sollte sich die Gewaltenteilung nicht allein auf die staatlichen Gewalten der Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung beschränken, sondern “die Kompetenzen und Kräfte der Privatwirtschaft mit ihren IT-Unternehmen, Softwareentwicklern und anderen Innovatoren in dieses Gefüge einbeziehen”. In diesem Sinn ist ein Zurückhaltungsgebot des Staates gegenüber den privaten Akteuren im IT-Markt im Interesse von Innovation und Nachhaltigkeit dringend erforderlich.

“Denn ansonsten“, so Detlef Sander, Vorstandsvorsitzender des DATABUND e.V., “geht das bundesdeutsche E-Government auch weiterhin meilenweit an der Lebenswelt und den Alltagserfahrungen vorbei und verspielen Staat und öffentlich-rechtliche Akteure das Know-how des bundesdeutschen IT-Mittelstands.”

Download der Studie